
Für Gabriele Tammen-Parr ist die Corona-Krise seit dem Bestehen der Berliner Beratungsstelle „Pflege in Not“ eines der einschneidendsten Ereignisse. Denn gerade auch für die Pflege durch Angehörige zu Hause hat die Pandemie weitreichende Konsequenzen. Die Diplom-Sozialpädagogin hat vor 20 Jahren die Beratungsstelle für Konflikte in der Pflege aufgebaut. Sie und ihr Team beraten Pflegende, die in Belastungssituationen nicht mehr weiterwissen, sich vom Pflegealltag zu Hause überfordert fühlen.
Angehörige auf sich gestellt
„Die Situation ist dramatisch“, so Tammen-Parr. „Viele Unterstützungsangebote sind weggefallen.“ Tagespflegen hätten geschlossen, Betreuungsangebote in den Haushalten fallen wegen der Kontaktbeschränkungen weg. „Die Angehörigen sind auf sich allein gestellt.“ Deshalb habe die Beratungsstelle Pflege in Not gleich zu Beginn der Pandemie die telefonische Beratung ausgeweitet und auch entsprechend großen Zulauf. Im medialen Fokus stünden jedoch die Pflegeheime, deshalb sei es wichtig, das Thema Einsamkeit und häusliche Pflege stärker zu diskutieren.
„Es ist wichtig darüber zu sprechen, was eigentlich in den Familien passiert“, betont auch Dr. Katharina Graffmann-Weschke, Leiterin der AOK Pflege Akademie. Die Politik hat nach ihrer Einschätzung erste Schritte in die richtige Richtung gemacht. So habe der Bundestag Mitte Mai bereits das Pflegeunterstützungsgeld verlängert und den Zuschuss für Pflegehilfsmittel von 40 Euro auf 60 Euro erhöht. Auch sei die Familienpflegezeit inzwischen schneller zu beantragen, statt sechs Wochen dauere ein Antrag in der Regel nur noch 10 Tage, so Graffmann-Weschke. Die größte Herausforderung ist es aber, die Menschen zu erreichen und zu helfen, dass diese Leistungen auch beantragt werden.“
PfiFf-Pflegefilme mit vielen Klicks auf YouTube
Die AOK Pflege Akademie hat in der Corona-Krise deshalb besonders die Familien im Blick und die Unterstützungs- und Beratungsangebote des Programms „Pflege in Familien fördern“ (PfiFf) ausgebaut. Neben klassischen Infos im Netz und einer PfiFf-Telefonsprechstunde finden pflegende Angehörigen auf der Videoplattform YouTube konkrete Hilfe. In Tutorials zeigen Experten, worauf man bei der häuslichen Pflege achten muss. Innerhalb weniger Wochen haben diese Pflegefilme rund 30.000 Aufrufe verzeichnet, berichtet Graffmann-Weschke. „Wir sollten es nach der Krise nicht verpassen, die digitalen Möglichkeiten auszubauen und zu erhalten“, sagt die Akademie-Leiterin.
Erfolgreiche Première im Web
Das haben sich auch die Organisatoren des AOK-Forum live vorgenommen. Da seit Wochen die sonst im politischen Berlin so zahlreichen Diskussionsveranstaltungen nicht stattfinden können, hat das Team Politik die politische Diskussionsveranstaltung der AOK Nordost kurzerhand ins Internet verlegt und zu einem Webgespräch über die Folgen der Covid19-Pandemie auf die Pflege eingeladen. Diskutiert wurde im Konferenzraum des Nordost-Newsrooms in der Berliner Wilhelmstraße. Rund 40 Zuschauer waren per WebEx zugeschaltet und konnten sich im Chat mit Fragen an der Diskussion beteiligen. „Wir können mit dem digitalen Format aktuelle Themen der AOK Nordost direkter und kurzfristiger aufgreifen als mit der klassischen Veranstaltung“, sagt Politik-Leiterin Monika Klement. Der erfolgreichen Première sollen weitere Webgespräche folgen.